Fürstenfeldbrucker SZ: Operette „Wiener Blut“

Fröhlicher Partnertausch

Vitale Aufführung der Operette „Wiener Blut“ im Stadtsaal
Die Chorgemeinschaft mimt die Wiener Ballgesellschaft. Foto: Johannes Simon

Von Klaus Mohr

Fürstenfeldbruck – Man nehme sechs Personen, drei weiblichen und drei männlichen Geschlechts. Wie viele Möglichkeiten gibt es, diese Menschen zu Paaren zusammenstellen, wenn jeweils Mann und Frau zusammenkommen sollen? So könnte eine Sachaufgabe über die Operette „Wiener Blut“ von Johann Strauß lauten, die am Samstag im Stadtsaal Premiere feierte. Was hier als Problem der Wahrscheinlichkeitsrechnung formuliert ist, hat in der Welt der Operette allerdings auch noch mit Hormonen zu tun, die Verliebtheit erzeugen, sowie mit einer tüchtigen Portion Blindheit bis hin zur Dummheit, ohne die jene Irrungen schnell aufgelöst wären. So aber dauert es zweieinhalb Stunden, bis die richtigen Paare zusammenfinden.

Für die Chorgemeinschaft Fürstenfeldbruck ist es das erste Mal, dass sie eine vollständige Operette auf die Bühne bringt, allerdings in einem Genre, dem sich der Chor seit langem besonders verpflichtet fühlt. Es spielte bei der Premiere im fast ausverkauften Stadtsaal das Westböhmische Symphonieorchester Marienbad unter der bewährten Leitung von Klaus Linkel. Ob eine Operette verstaubt wirkt, hängt insbesondere an der Frage der konkreten Aufführung: „Wiener Blut“ spielt zur Zeit des Wiener Kongresses 1815 und war damit schon bei der Uraufführung 1899 inhaltlich nicht mehr ganz aktuell.

Das gilt auch für die starke Akzentuierung der unterschiedlichen Stände der Gesellschaft in diesem Werk. Die Musik aber ist nahezu unsterblich, in diesem Fall eine Kompilation erfolgreicher Melodien von Johann Strauß, die Adolf Müller dafür zusammengestellt hat.

Den unendlichen Walzerdrehungen kann sich der Zuhörer nicht entziehen, sie erfassen ihn ganzheitlich und verursachen zum Schluss fast schon Schwindelgefühle. Es ist insbesondere das Verdienst Klaus Linkels, dass die Aufführung weder altmodisch wirkt noch in rührseligem Pathos versinkt. Er setzt durchgängig auf straffeTempi, versteht es aber auch meisterhaft, die minutiösen Verzögerungen, die diese Musik unnachahmlich prägen, wirkungsvoll zu inszenieren.

Die Aufführung hat eine klare Stärke dort, wo Tourneetheater zwangsläufig schwach sind: Hier gibt es einen großen Chor, der zusätzlich eine lebendige Kulisse beim Volksfest im dritten Akt bildet. Die Sängerinnen und Sänger agieren punktgenau nach den Vorgaben des Dirigenten. Ihr Chorklang scheint getragen zu werden auf der Woge des Orchesters. Getragen wird die Inszenierung der Operette von den Protagonisten, bei deren Auswahl Klaus Linkel ein sicheres Gespür bewiesen hat: Christian Bauer als Balduin Graf Zedlau traut man den Don Juan, den er hier die meiste Zeit gibt, zwar nicht wirklich zu. Dazu ist er zu nett. Er überzeugt insbesondere durch seine sehr schöne Tenorstimme.

Den Trottel nimmt man dem Premierminister alias Torsten Frisch durch sein ungelenkes Auftreten jedoch problemlos ab. Stimmlich erfreut er durch profunden Klang und makellose Deklamation. Die Frauen verkörpern jeweils in einer Einheit aus Stimme und Gestus einen bestimmten Typus: Gabriele (Monika Rebholz) mimt die seriöse Ehefrau, Franzi Cagliari (ChristinaGerstberger) die anspruchsvolle Geliebte und Pepi Pleininger (Brigitte Bayer) kokettiert auch von den Bewegungen her als veritable Soubrette. Josef, Kammerdiener des Grafen (Gustavo Martín-Sánchez) spielt die absolute Ergebenheit. Dass auch eine Gruppe von Schülerinnen der Fachoberschule als Tänzerinnen eingebunden wird, spricht für die sozialeVerantwortung der Chorgemeinschaft. Auf der Bühne entwickelt sich ein natürliches, nie überzogenes Spiel, das witzige Akzente setzt.

Bei allen guten Ideen und der äußerst sorgfältigen Vorbereitung bleibt doch ein kleiner Schwachpunkt: Die Stringenz des Bühnengeschehens im dritten Akt geht den beiden vorausgehenden vor der Pause ab. Eine Straffung an der einen oder anderen Stelle hätte den Spannungsbogen leichter aufrechterhalten lassen. Das ist allerdings weniger ein Problem, das auf die Ausführenden zurückzuführen ist, als vielmehr eines, das im Stück selbst begründet liegt. Neben viel Szenenapplaus belohnte am Schluss der Premiere lang anhaltender Beifall alle Mitwirkenden für ihr hervorragendes Engagement, auch wenn in deren Adern zumeist Fürstenfeldbrucker und nicht Wiener Blut fließt.