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Fürstenfeldbrucker Tagblatt: Operette „Wiener Blut“

Stadtsaal schwelgt im Dreivierteltakt

Walzer-Seligkeit auf der Bühne des Stadtsaals: Die Chorgemeinschaft Fürstenfeldbruck begeisterte mit einer aufwändigen Produktion von Johann Strauß´s Operette „Wiener Blut“ unter der Gesamtleitung von Klaus Linkel.
Die Chorgemeinschaft begeistert mit „Wiener Blut“. Foto: VOX

VON ULRIKE OSMANN

Fürstenfeldbruck – Der Laienchor agiert auf Augenhöhe mit den Profisängern, die die Hauptrollen übernommen hatten. Dazu ein exzellent aufspielendes Orchester und ein eindrucksvolles Bühnenbild – fertig ist ein Abend, der herrlich aus der zeit fällt. Allein schon diese Figuren: Graf und Gräfin, Fürst und Kammerdiener, Tänzerin und Probiermamsell. Sie sitzen auf roten Plüschsofas und schreiben einander heimliche Bilette, sie tanzen auf Bällen und verabreden sich zum Stelldichein auf dem Volksfest.

Ständig gibt es Verwechslungen und am Schluss ein Happy End. Die Marschroute der Handlung ist leicht zu verstehen, obwohl die gesungenen Texte es nicht sind. Aber darauf kommt es auch nicht an. Die Operette lebt vom schönen Klang, den eingängigen Walzern, Polkas und Quadrillen des Wiener Altmeisters, und den Vollblutsängern, die das Strauß-Werk mit Leben erfüllen. Stimmlich und schauspielerisch lieferten die Hauptdarsteller allesamt glänzende Leistungen ab, allen voran Christian Bauer als Graf Balduin, der sich als charmanter Schwerenöter in diversen Liebschaften verstrickt, und die hinreißende Christine Gerstberger in der Rolle der temperamentvollen, ein wenig zickigen gräflichen Geliebten Franzi.

Die Chorgemeinschaft kann mit ihren Gesangsbeiträgen absolut mithalten und meistert außerdem die Aufgabe, als stummes Statistenheer die Ballgesellschaft und das Publikum auf dem Volksfest darzustellen – nach einer offensichtlich sorgsam einstudierten Choreographie.

Für die musikalische Begleitung sorgt das renommierte Westböhmische Symphonieorchester Marienbad mit Klaus Linkel am Dirigentenpult. Geschickt kombiniert das Bühnenbild reale Kulissen mit Video-Effekten. Im zweiten Akt entsteht so die Illusion eines Ballsaals, und nach der Pause sieht man sich unversehens der Wiener Skyline mit Stephansdom und Riesenrad gegenüber, während im Vordergrund das Hietzinger Volksfest mit Karussell und verschwiegenen Lauben lebendig wird.

Es gibt ein paar Momente des Augenzwinkerns. In einer abgewandelten Textpassage ist eine Hommage an die Chorgemeinschaft versteckt, in einer Tanzeinlage präsentieren Schülerinnen der Brucker Fachoberschule (FOS) einen Cancan – nicht in den typischen Rüschenkleidern, sondern im militärisch anmutenden Reitdress.

Die Choreographie hatten die 16- bis 18-Jährigen extra in einem Münchner Tanzstudio trainiert. Überhaupt habe die Zusammenarbeit mit der FOS (wir berichteten) ausgezeichnet funktioniert, ist aus den Reihen der Chorgemeinschaft zu hören. Nicht zuletzt sorgte das von den Schülern entwickelte Konzept der Großflächenwerbung mit Plakaten im ganzen Stadtgebiet dafür, dass die ersten beiden Vorstellungen praktisch ausverkauft waren.

Fürstenfeldbrucker SZ: Operette „Wiener Blut“

Fröhlicher Partnertausch

Vitale Aufführung der Operette „Wiener Blut“ im Stadtsaal
Die Chorgemeinschaft mimt die Wiener Ballgesellschaft. Foto: Johannes Simon

Von Klaus Mohr

Fürstenfeldbruck – Man nehme sechs Personen, drei weiblichen und drei männlichen Geschlechts. Wie viele Möglichkeiten gibt es, diese Menschen zu Paaren zusammenstellen, wenn jeweils Mann und Frau zusammenkommen sollen? So könnte eine Sachaufgabe über die Operette „Wiener Blut“ von Johann Strauß lauten, die am Samstag im Stadtsaal Premiere feierte. Was hier als Problem der Wahrscheinlichkeitsrechnung formuliert ist, hat in der Welt der Operette allerdings auch noch mit Hormonen zu tun, die Verliebtheit erzeugen, sowie mit einer tüchtigen Portion Blindheit bis hin zur Dummheit, ohne die jene Irrungen schnell aufgelöst wären. So aber dauert es zweieinhalb Stunden, bis die richtigen Paare zusammenfinden.

Für die Chorgemeinschaft Fürstenfeldbruck ist es das erste Mal, dass sie eine vollständige Operette auf die Bühne bringt, allerdings in einem Genre, dem sich der Chor seit langem besonders verpflichtet fühlt. Es spielte bei der Premiere im fast ausverkauften Stadtsaal das Westböhmische Symphonieorchester Marienbad unter der bewährten Leitung von Klaus Linkel. Ob eine Operette verstaubt wirkt, hängt insbesondere an der Frage der konkreten Aufführung: „Wiener Blut“ spielt zur Zeit des Wiener Kongresses 1815 und war damit schon bei der Uraufführung 1899 inhaltlich nicht mehr ganz aktuell.

Das gilt auch für die starke Akzentuierung der unterschiedlichen Stände der Gesellschaft in diesem Werk. Die Musik aber ist nahezu unsterblich, in diesem Fall eine Kompilation erfolgreicher Melodien von Johann Strauß, die Adolf Müller dafür zusammengestellt hat.

Den unendlichen Walzerdrehungen kann sich der Zuhörer nicht entziehen, sie erfassen ihn ganzheitlich und verursachen zum Schluss fast schon Schwindelgefühle. Es ist insbesondere das Verdienst Klaus Linkels, dass die Aufführung weder altmodisch wirkt noch in rührseligem Pathos versinkt. Er setzt durchgängig auf straffeTempi, versteht es aber auch meisterhaft, die minutiösen Verzögerungen, die diese Musik unnachahmlich prägen, wirkungsvoll zu inszenieren.

Die Aufführung hat eine klare Stärke dort, wo Tourneetheater zwangsläufig schwach sind: Hier gibt es einen großen Chor, der zusätzlich eine lebendige Kulisse beim Volksfest im dritten Akt bildet. Die Sängerinnen und Sänger agieren punktgenau nach den Vorgaben des Dirigenten. Ihr Chorklang scheint getragen zu werden auf der Woge des Orchesters. Getragen wird die Inszenierung der Operette von den Protagonisten, bei deren Auswahl Klaus Linkel ein sicheres Gespür bewiesen hat: Christian Bauer als Balduin Graf Zedlau traut man den Don Juan, den er hier die meiste Zeit gibt, zwar nicht wirklich zu. Dazu ist er zu nett. Er überzeugt insbesondere durch seine sehr schöne Tenorstimme.

Den Trottel nimmt man dem Premierminister alias Torsten Frisch durch sein ungelenkes Auftreten jedoch problemlos ab. Stimmlich erfreut er durch profunden Klang und makellose Deklamation. Die Frauen verkörpern jeweils in einer Einheit aus Stimme und Gestus einen bestimmten Typus: Gabriele (Monika Rebholz) mimt die seriöse Ehefrau, Franzi Cagliari (ChristinaGerstberger) die anspruchsvolle Geliebte und Pepi Pleininger (Brigitte Bayer) kokettiert auch von den Bewegungen her als veritable Soubrette. Josef, Kammerdiener des Grafen (Gustavo Martín-Sánchez) spielt die absolute Ergebenheit. Dass auch eine Gruppe von Schülerinnen der Fachoberschule als Tänzerinnen eingebunden wird, spricht für die sozialeVerantwortung der Chorgemeinschaft. Auf der Bühne entwickelt sich ein natürliches, nie überzogenes Spiel, das witzige Akzente setzt.

Bei allen guten Ideen und der äußerst sorgfältigen Vorbereitung bleibt doch ein kleiner Schwachpunkt: Die Stringenz des Bühnengeschehens im dritten Akt geht den beiden vorausgehenden vor der Pause ab. Eine Straffung an der einen oder anderen Stelle hätte den Spannungsbogen leichter aufrechterhalten lassen. Das ist allerdings weniger ein Problem, das auf die Ausführenden zurückzuführen ist, als vielmehr eines, das im Stück selbst begründet liegt. Neben viel Szenenapplaus belohnte am Schluss der Premiere lang anhaltender Beifall alle Mitwirkenden für ihr hervorragendes Engagement, auch wenn in deren Adern zumeist Fürstenfeldbrucker und nicht Wiener Blut fließt.

Fürstenfeldbrucker Tagblatt: Meisterwerke Slawischer Musik

Slawische Meisterwerke reißen zu Begeisterungsstürmen hin

Ein phänomenales Konzert boten Chorgemeinschaft Fürstenfeldbruck und das Orchester aus dem ungarischen Györ. FOTO: VOX

Von Klaus Kriesbach

Fürstenfeldbruck – Bravorufe und stehende Ovationen hat es beim Konzert „Meisterwerke Slawischer Musik“ im Stadtsaal gegeben. Anlass für die Euphorie war das Philharmonische Orchester Györ aus Ungarn mit seinen 77 Instrumentalisten, das zu den drei besten Symphonieorchestern des Landes zählt. Das war in jeder Phase des phänomenalen Konzertes zu hören. Die Chorgemeinschaft brachte mit 70 Sängern ein stattliches Stimmvolumen auf die Bühne. Nach über 30 Jahren bei diesem Chor fügte Dirigent Klaus Linkel seiner musikalischen Arbeit ein Glanzlicht hinzu. Mit diesem Konzert blickte er tief in die Empfindsamkeit der slawischen Seele.

Die „Rumänische Rhapsodie“ Nr. 1 von Georges Enesco stand am Anfang. Das Eröffnungsthema ist einem volkstümlichen Trinklied nachempfunden. Die weiteren Sequenzen sind munteren Tanzweisen der Zigeuner aus den Karpaten entlehnt. Das Werk besticht durch den ständigen Wechsel des Zeitmaßes. Es verleiht ihm durch die mehrfache Verschiebung des Klangcharakters tönende Vielfalt und filigrane Ausdruckskraft.

Zuweilen werden die Polowetzer Tänze aus der Oper „Fürst Igor“ von Alexander Borodin als ein reines Konzertstück aufgeführt. In Fürstenfeld war es eine monumentale Chordarbietung mit großem Orchester. Zur Zerstreuung des gefangenen Fürsten Igor lässt der Khan der Polowetzer die Tänze mit Gesang junger Mädchen darbieten. Gleich zu Anfang werden die Stimmen vom elegischen Ton eines Englisch-Horns romantisch getragen. Borodin stellt gegensätzliche Kulturen gegenüber und verwendet Tonelemente, die orientalisch aber auch barbarisch veranlagten Polowetzer charakterisieren. Maurische treffen auf kaukasische Klangfarben und verleihen dem Werk jene Ausdruckskraft, die ihre Beliebtheit seit der uraufführung kennzeichnet. Die Chorgemeinschaft und das kongenial musizierende Orchester zeichneten mit der Gesangsfassung ein buntes Bild dieses fremdartigen Kulturkreises, das in dem nuancierten Wechsel zwischen Forte und Piano, sowie in dezidierten Crescendi die romentischen Gesangspassagen akzentuierte. Wuchtige Paukenschläge symbolisierten den stampfenden Tanzrhythmus.

Mit Blick auf seine vorherigen Symphonien überkamen Peter Tschaikowsky vor der Entstehung seiner Symphonie Nr. 5, e-moll op. 64 dunkle Zweifel. Sollte er sich ganz dem Schicksal ergeben oder alles der Vorsehung überlassen? In dieser Grundstimmung ist das Werk entstanden. Seine Fünfte bestach in Fürstenfeld durch eine überquellende Farbigkeit der Temperamente. Voller Trauer intonierten die Klarinetten den ersten Satz und führten zum durchgehenden Schicksalsmotiv. Ein glückseliger Walzer-Rhythmus mündete bald dramatisch in eine ungestüme Coda. Das elegische Horn-Solo des zweiten Satzes steht mit seinem gesanglichen Charakter für den lyrischsten Einfall des Komponisten in diesem Werk, der später schwärmerisch von der Klarinette zur Hymne auf das Glück erhoben wird. Den Sieg über das Schicksal bekundete ein stolzer Marsch gegen Ende.